„Auch wenn die Wahrnehmung der Bewohner sehr unterschiedlich ist, gibt es in der Neckarstadt Vielfalt und Dinge, die gut funktionieren“, sagen Reinhold Götz und Konrad Hummel, beide im Vorstand des Fördervereins Campus Neckarstadt-West. Wo mehr Engagement gefragt ist und wo es immer noch hakt: ein Gespräch.

*Foto: Reinhold Götz, Yvonne Doncev, Konrad Hummel (v.l.)
Wenn Sie von der funktionierenden Vielfalt sprechen, welche ist gemeint?
Hummel: Es gibt Einkaufsmöglichkeiten und Anlaufstellen für die Grundversorgung. Die Neckarstadt hat die Nähe zur Stadt und liegt am grünen Neckar. Es gibt eine Straßenbahnlinie − und nicht zu vergessen − viele Menschen, die sich für die Neckarstadt einsetzen und sich zur Neckarstadt bekennen.
Götz: Das Grundempfinden ist leider dennoch, dass es in der Neckarstadt an Sauberkeit und Sicherheit zu wünschen übriglässt. Das mag subjektiv sein, ist aber auch nachvollziehbar, weil die Neckarstadt sehr dicht bewohnt ist.
Das sind Eindrücke, gibt es belastbare Zahlen und Fakten?
Götz: Um den Stadtteil zu fördern, fließt schon lange viel Geld der Stadt. Die Wirkung war jedoch nicht immer so, wie gewünscht.
Hummel: Mein Gutachten im Auftrag von Stadt und MWSP hat 2017 nochmal ganz klar die Prioritäten deutlich gemacht. Ein Grundproblem ist die große Fluktuation im Stadtteil, die bislang leider nicht gestoppt ist.
Götz: Auf Basis des Gutachtens wurden erstmals unter einem gemeinsamen Dach, dem der vom OB initiierten Lokalen Stadterneuerung (LOS), Handlungsfelder definiert. Wohnen und vor allem die ungleichen Bildungschancen sind zwei davon und sind der Motor, den unseren Förderverein treibt.
Hummel: Die Lokale Stadterneuerung ist ein wichtiges Instrument, schneller zu handeln als das in der Verwaltung funktioniert. LOS hat den Anspruch, über die Detailbetrachtung hinaus, die Themen auf den Tisch zu bringen und anzustoßen.
Wann war Start von Campus und Förderverein?
Hummel: Um die ganz drastisch erkennbaren Chancenungleichheiten im Stadtteil schneller zu verbessern, wurde Ende 2019 auf Initiative von LOS und unter der Federführung des Mannheimer Jugendamtes das Projekt Campus Neckarstadt-West ins Leben gerufen. Vor zirka eineinhalb Jahren gründeten wir den Förderverein Campus e.V. Es hat gedrängt, und Einiges bewegt sich nur mühsam und träge.
Götz: Ich meine, es muss mehr als eine Vision sein, dass alle vier Schulen in der Neckarstadt-West bis Ende des Jahrzehnts Ganztagsschulen sind. Und natürlich spielen da Wohnsituation und Sprachbarrieren, die starke Fluktuation sowie die wirtschaftliche Situation der Bewohner*innen auch mit hinein. Also auch da ist eine Betrachtung viele Faktoren vonnöten.
Welche Rolle kann der Förderverein einnehmen?
Hummel: Derzeit sind 30 fördernde Menschen im Verein Mitglieder. Wir haben sehr viel Initiativen gestartet. Das ging unter anderem mit der großzügigen Unterstützung unserer Mitglieder. Jährlich bezahlen die Rotarier 50 Euro pro Monat und Kind als Spenden. Der Verein hat über weitere Spender bisher etwa 50.000 Euro zugeschossen. Wichtig ist uns auch, der Verein ist nicht der verlängerte Arm der Stadt. Darüber sind sich alle einig.
Götz: Der Verein macht aufmerksam, treibt, wirbt und fördert. Das ist viel mehr als nur Geld sammeln. Denn am Ende lebt auch unser Verein von den Menschen, die anpacken.
Funktioniert so ein Modell dauerhaft?
Hummel: Bisher wachsen wir und haben viele neue Ideen. Anders als in anderen Vereinen wählen wir die Mitglieder gezielt aus. Mitglieder sind derzeit Mannheimer Rotarier und Geschäftsleute; aber auch Menschen im Stadtteil, die in der Neckarstadt zuhause sind und ihre Lebenserfahrung aus der Neckarstadt einspeisen. Unter anderem unsere zweite Stellvertretende Vorsitzende Yvonne Doncev.
Götz: Nach knapp eineinhalb Jahren sind trotz Corona-Pause das Engagement und die Lust auf Neues im Verein ungebrochen. Unsere Förderpreise für die Mentor*innen der Campuskinder, die Möbeltransportaktion für den Kaisergarten zeigen, was alles geht, wenn jeder das einbringt, was er kann.
Welche Themen treiben Sie für die weitere Zukunft um?
Hummel: Immer wieder kritisch draufschauen, welche Konzepte für die Neckarstadt wirklich tragen.
Götz: Die Netzwerke breiter machen, zum Beispiel in dem wir die Lutherkirche als Campusort mit einbeziehen.
Hummel: 1000 Quadratmeter mehr Bildung, die sich durch alle Adern der Neckarstadt ziehen. Und eventuell eine Neckarstadt, die Modell steht in Energie- und Klimafragen auch für andere Stadtteile.
Götz: Die Chancengleichheit, so viel steht fest, wird auch in Zukunft ein Kraftakt bleiben und geht nur in einem starken Netzwerk: mit Förderern, Jugendamt, Schulen und den Institutionen vor Ort.
Wir sind auf jeden Fall für alles offen, was den Stadtteil nachhaltig weiterbringt. Mehr Infos unter www.campus-neckarstadt-west